„Ich war lange Zeit als Notärztin in Wien tätig und bin Tausende Einsätze gefahren. In Wien war die Vorgabe, spätestens 5 Minuten nach Alarmierung am Einsatzort zu sein.
Bei einem Herzinfarkt, einem Schlaganfall, einer Hirnblutung, einem allergischen Schock, einer Unterzuckerung von Diabetikern, bei einem lebensbedrohlichen Asthmaanfall, Vergiftungen, bei vielen Unfällen und besonders bei kritischen Zuständen von Kindern zählt tatsächlich jede Sekunde. Jede Sekunde. Und immer, wirklich immer hab ich beim Eintreffen gehört: „Gott sei Dank, daß sie schon da sind“.

Ich weiß, wovon ich spreche. Und ich weiß, wie schrecklich es ist, manchmal doch zu spät zu kommen und dann die fassungslosen Angehörigen vor diese schmerzvolle, nicht mehr rückgängige Tatsache stellen zu müssen.
In St. Pölten am Schreibtisch sitzen nun unsere Vertreter, die Statistiken und Kalkulationen interpretieren, Zahlen herumschieben und danach Beschlüsse fassen. Der Niederösterreichische Landtag – sogar die SPÖ! – hat also im Rahmen eines „Gesundheitspaketes“ vom Schreibtisch aus beschlossen, 11 Notärzte wegzurationalisieren. Aus Profit – / Rentabilitätsgründen, aus Profilierungsfreude?
„Ich weiß, wovon ich spreche. Und ich weiß, wie schrecklich es ist, manchmal doch zu spät zu kommen
11 Notärzte sind weg. Was erwartet uns stattdessen? Niemand weiß das so genau. Sanitäter mit Telemedizin? Vermehrte Hubschraubereinsätze? Taxi rufen (am Land?!) und schnell ins Spital fahren? Selbst ins nächste Spital rasen?
Nun zu den Sanitätern in Österreich, deren Arbeit und Einsatzbereitschaft wirklich nicht genug geschätzt werden kann. Aber können sie einen Notarzt ersetzen? Es gibt tatsächlich Länder wie die Schweiz, wo es gar keiner Notärzte bedarf. Warum? Weil es dort Paramedics gibt, ein hoch anerkannter, gut bezahlter Beruf mit dreijähriger, sehr intensiver und anspruchsvoller Ausbildung, hohen Anforderungen und mit modernstem Equipment, wovon wir nur träumen können. Von diesen Kompetenzen und Standarts ist unser System mit oft Freiwilligen und Civis leider noch weit entfernt.

Dazu kommt, daß die Bevölkerung basismedizinisch null ausgebildet ist. Von Reanimation, Erste Hilfe und richtiger Einschätzung von medizinisch kritischen Situationen haben die allerwenigsten eine Ahnung. (In der Schule lernt man ja „Wichtigeres“!)
Also Sanitäter ersetzen in Österreich keinen Notarzt, auch nicht mit Telemedizin. Das ist Murks. Und Hubschrauber? Sind NICHT immer einsetzbar.
Der Niederösterreichische Landtag, unsere Interessensvertreter, auf die wir uns verlassen wollen, hat also mit seiner Entscheidung 200 000 Menschen völlig allein gelassen mit ihrer Verunsicherung und mit ihrer Angst, keinen Notarzt mehr zu haben! Das ist stark!
? „Und wer übernimmt letztlich die Verantwortung, weil kein Notarzt da war weit und breit?
Ich persönlich empfinde es als höchst undemokratisch, einen so einschneidenden und für viele beunruhigenden Beschluss über die Köpfe der Bevölkerung hinweg zu beschließen und alle vor vollendete Tatsachen zu stellen, ohne näher und plausibel Alternativen öffentlich zu diskutieren.
Und wer übernimmt letztlich die Verantwortung, wenn der Hubschrauber nicht landen konnte und das Kind an der verschluckten Wespe verstorben ist, weil kein Notarzt da war weit und breit? Wer vom Landtag hat dann den Mut zu sagen: „Ja, ICH war für diese Entscheidung“?
Die Verwendung der vergleichsweise enormen Steuereinnahmen in diesem Land ist Prioritätensache. Wo steht hier unser Leben? Welchen Stellenwert hat Leben in diesem Bundesland?
„Never change a winning team“ ist die Devise aller Notärzte. Unser Notarztsystem hat sich lange bewährt und ist gut und soll unbedingt so bleiben, weil wir einfach jetzt nichts Besseres haben.
Dr.Dr. Monika Popp
Purkersdorf

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