Konsequenzen aus der Hochwasser-Katastrophe ziehen

– 10 Punkte aus ökosozialer Sicht

  1. Das Positive: Die zivile Gesellschaft insbesondere mit allen Freiwilligen-Organisationen hat in ganz NÖ  und darüber hinaus eine beeindruckende Kraft gezeigt: Mit Solidarität und Kompetenz konnte in dieser Hochwasser-Katastrophe noch Schlimmeres verhindert werden. Dank an die tausenden HelferInnen, Mitgefühl an die tausenden Geschädigten, aber auch Beileid für die Hinterbliebenen der Opfer!
  2. Zutreffend ist sicher, dass durch die umfassenden Investitionen in den Hochwasserschutz nach 1997 und 2002 die Schäden geringer sind als ohne sie. Zutreffend ist auch, dass nach den Fehlern bei den Hochwasserereignissen 1997 und 2002 gelernt wurde, und das Schleusenmanagement bei den Speichern im Waldviertel oder beim Wienerwaldsee besser funktionierte. Allerdings sind auch diesmal aus  Mängel, z. B. zu späten Warnungen Lehren zu ziehen
  3. Richtig ist aber auch, dass die jahrzehntelangen Fehler in der Raumordnung, die andauernde Bodenversiegelung, und die Verbauung bis zu den Dämmen,   die vom Land NÖ durch die lasche Aufsicht bei der Raumordnung zu verantworten sind,  das Ausmaß der Katastrophe verstärkt haben. – Dies kann bei fast allen Katastrophenorten von Judenau über Böheimkirchen bis St. Pölten nachgewiesen werden.
  4. Bisher sind 6 Todesopfer bei den heurigen Hochwasserereignissen zu beklagen. Wie bekannt sind diese Menschen in Untergrafendorf, Rust, Höbersdorf, Würmla, Klosterneuburg jeweils auf tragische Art ums leben gekommen. Bemerkenswert ist, dass es sich hier ausschließlich um ältere Menschen handelt.

Erwähnt werden soll, dass auch viele Tiere ums Leben gekommen sind, oder nur knapp gerettet werden konnten

5. Allerdings: Bei Niederschlägen von mehr als 40 cm pro m2 innerhalb von 3 Tagen wie im Raum St. Pölten-Tulln ist ein Schutz insgesamt schwer möglich, da hätte ein Schutz Jahr- und Jahrzehntelang vorbereitet  werden müssen. Unzweifelhaft ist daher der Haupt-Hintergrund für die Hochwasser-Katastrophe die Klimakrise.  Diese ist aber noch immer in den ersten Stadien, und sie wird in den nächsten Jahrzehnten laufend intensiver werden. 

Es sind dies die „Wetterextremereignisse“, die von der Klimawissenschaft seit über 30 Jahren prognostiziert werden. –  Erinnert werden soll, dass manche reißende Bäche – ebenfalls ein Wetterextremereignis – ebenfalls noch eine Woche vorher ausgetrocknet gewesen waren.

6. Die entscheidende  Konsequenz sollte daher sein: Es sollte endlich auf allen Ebenen eine effektive ökosoziale Klimapolitik mit verbindlichen Teilzielen betrieben werden. Ein Teil davon ist die Anpassung an den Klimawandel, im Konkreten eine Anpassung der Siedlungsstrukturen auch an zunehmende Hochwassergefahren; aber natürlich auch an zunehmende Hitzeperioden, Waldbrandgefahren oder Hangrutschungen

Seit vielen Jahren weist die Wissenschaft nach, dass die  Kosten der Nicht-Aktivität höher sein werden, als die notwendigen Investitionen in den Klimaschutz bzw. konkret auch Hochwasserschutz

7. Im einzelnen geht es zunächst um grundlegende Änderungen in der Raumordnungspolitik. Der wesentliche Punkt dabei ist die dynamische Anpassung an den Klimawandel. D. h. konkret. Bisher wurden die Siedlungsgrenzen im wesentlichen an 100-jährliche Hochwasserereignisse aus der Vergangenheit ausgerichtet (Der Bürgermeister von Haunoldstein problematisiert das  zurecht, insbesondere auch nach den jetzigen bitteren Erfahrungen). Wenn nun  100-jährliche Hochwasserereignisse z. t. fast schon alle 10 Jahre stattfinden (1997, 2002, 2013, 2024) oder wie im Raum wie im Raum St. Pölten-Tulln  300-jährliche Hochwasserereignisse stattfinden, dann muss diese Orientierung rasch angepasst werden. Konkret heißt das, dass die Gefahrenzonenplanungen überall grundlegend zu überarbeiten und damit zu verschärfen sind.

8. Weiters sind grundlegende Änderungen bez. Renaturierung und ein STOPP der Bodenversieglung (netto nichts mehr versiegeln) vorzunehmen – statt über Zielwerte der weiteren Verbauung zu streiten. Dass ein Bundeskanzler jetzt meint, in NÖ seien eh nur 4 % versiegelt, und ein Prozentpunkt mehr oder weniger zähle nicht, zeigt sein „fehlendes Problembewusstsein“ und ist „grob irreführend“ (WWF). Es geht auch darum, welche Böden zusätzlich versiegelt worden sind, und auch um die Verdichtung der meisten Ackerböden. Dadurch sind kleinräumig kritische Situationen verschärft worden.

9. Ein wesentlicher offener Punkt seit  Jahrzehnten ist die Frage der Kostentragung bei Schäden: Die Versicherungen begrenzen auch bei Hochwasser wie bei den meisten anderen Umweltschäden in der Regel ihre Haftung auf einem niedrigen Niveau. D. h. konkret, dass Geschädigte, zusätzlich zu ihrem Gesamtstress bei solchen Situationen, zwar  einen kleinen Bruchteil der Schäden von der Versicherung ersetzt (in der Regel nur 5-10 %!) bekommen, und dann noch 20 % in NÖ vom Katastrophenfonds; aber am Großteil des Schadens bleiben sie in der Regel sitzen, und das geht schnell in den zigtausend. (Beispiel: Bei einem Schaden von 100000 € zahlt die Versicherung größenordnungsmäßig z. B. 8000 €, der Katastrophenfonds nochmals  20000 €, der Rest bleibt wahrscheinlich bei den Geschädigten; ob das Land NÖ jetzt wirklich was drauf legt, ist offen).

 – Versicherungen und andere verlangen eine Art Pflichtversicherung, Es geht dabei um mindestens  300 €/ Haushalt als Hochwasser-Versicherungsprämie vor. Die Frage ist, ob man privaten Versicherungen eine Basis für weitere Profite  geben soll, oder ob so eine Lösung nicht günstiger über den Staat anzudenken ist, wobei bei weniger Verdienenden die Prämien komplett zu übernehmen wären

10. Die Ankündigung des Bundeskanzlers den Katastrophenfonds aufzustocken, geht hiemit an der wesentlichen Herausforderung vorbei, weil dieser Fonds ja derzeit in NÖ nicht mehr als 20 % beisteuert. Und auch die Ankündigung des Landes NÖ, Geld zuzuschießen, löst die Frage nicht grundsätzlich.  – Generell soll von einer Ankündigungspolitik und salbungsvollen Statements einzelner PolitikerInnen zusammen mit der Inszene-Setzung über  viele Fotos  zu einer seriösen geplanten Politik mit konkreten Plänen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte übergegangen werden.


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